Rede des Vorsitzenden der FDP Stadtratsfraktion, Manfred van Bahlen,
anlässlich der Verabschiedung des städt. Haushalts 2021 am 06.05.2021

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
werte Ratskolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren!

Zusammen mit dem Kämmerer hat unser neuer BM seinen 1. Haushaltsplan eingebracht, und zwar mit einen kalkulierten Defizit von sage und schreibe 32,2 Mio. €. So ist es halt: Beachtlich höhere Gewerbesteuereinnahmen im Vorjahr führen systembedingt zu einem deutlichen Rückgang der Schlüsselzuweisungen und bringen den Haushalt in Schieflage.
Daher ist eine Betrachtung über den Finanzplanungszeitraum von 2021 bis 2024 von höherem Aussagewert. Und auch dieser sollte uns zu denken geben: Das Gesamtdefizit über diesen Zeitraum hinweg beträgt beim zu verabschiedenden Haushalt 38,3 Mio. €. Allein für 2021 beträgt das Defizit 27,5 Mio. €, wobei coronabedingte Aufwendungen aufgrund der neueren Rechtslage „isoliert“ bzw. herausgerechnet wurden und damit das aktuelle Bild schönen.

Haushalt hat zweifelsohne schon von der Wortbedeutung was mit „haushalten“ zu tun, worunter man eigentlich verstehen sollte, dass mit einem begrenzten Budget auszukommen ist.
Aber wir haben immer wieder gelernt, für öffentliche Haushalte gelten andere Parameter und andere Handlungsoptionen. Pleite geht der Staat eigentlich nicht und ggf. bekommt man Hilfe von höherer Stelle, auch wenn es dabei nicht immer gerecht zugeht und in der Vergangenheit weniger sparsame Kommunen u. U. mehr Hilfe bekommen als diejenigen, die gespart haben und deren Bürgerinnen und Bürgern mit Einschränkungen leben mussten.

Ich komme zu den Themen, die seitens der FDP in den Haushaltsberatungen eine Rolle spielen:

1. Wohnungsbau

Öffentlich geförderter Wohnungsbau oder familienfreundliches Bauen ermöglichen, dies ist für uns die Frage

Immer wieder kommt das eher ideologisch geprägte Thema einer „Quote für den öffentlich geförderten Wohnungsbau“ hoch. Wir Liberale meinen: Auch hier brauchen wir keine Quote; diese Frage muss man keineswegs ideologisch betrachten. Für uns kommt es vielmehr darauf an, dass in der Gesamtbetrachtung ein preislich angemessenes, ggf. auch preislich gedämpftes Wohnraumangebot besteht, dass vor allem für junge Familien ein verträgliches, ein passgenaues Angebot darstellt.

Auch für die ältere Generation bedarf es eines Konzepts für kleinere Wohneinheiten, dass die auftretenden Handicaps und eine Teilhabe am Gesellschaftsleben berücksichtigt.

EUGEBAU Schlachthof-Quartier

Auch wenn es direkt nichts mit dem Haushalt der Stadt zu tun hat: Wir begrüßen außerordentlich das innovative Projekt der EUGEBAU, im Schlachthof-Quartier ein energieautarkes und CO²-neutrales Wohnquartier mit dem Energieträger Wasserstoff zu errichten.

2. Erhalt einer lebendigen, attraktiven Innenstadt

2.1 Vielfältige Unterstützung des lokalen Einzelhandels und der Gastronomie

Obwohl der zuständige Fachausschuss nicht tagte, hat ein auf Initiative von SPD und FDP geführter interfraktioneller Online-Arbeitskreis mit Vertretern des Einzelhandels, des Gaststättenverbandes sowie der Verwaltung vielfältige Unterstützungsmaßnahmen erarbeitet, um neben staatlichen Hilfen Insolvenzen und einer Verödung der Innenstadt entgegen zu wirken. Diese investierte Zeit hat sich gelohnt, da der Haupt. und Finanzausschuss der Stadt dieses Maßnahmenpaket gebilligt hat.

Neben Aktionen wie

  • „Euskirchen rollt den roten Teppich für Sie aus“
  • kleinen Konzerten und
  • Aktionen „kunst & kreativ“ in der Innenstadt

werden

  • die etablierten „Schecks in the City“ mit einem 20%igen Bonussystem unterstützt bzw. mit einem vergünstigten Kaufanreiz ausgestattet, ferner wird
  • die Einrichtung eines gemeinsamen Lieferdienstes unterstützt.

Auch werden Marketingmaßnahmen städtischerseits unterstützend begleitet.

Darüber hinaus wird die Nutzung städtischer Flächen im Umfeld von gastronomischen Betrieben und Einzelhändler in 2021 soweit möglich gebührenfrei erlaubt. Leerständen von Ladenlokalen soll ggf. durch eine Subventionierung von Mieten entgegengewirkt werden.

2.2 Nutzungsänderungen bei leerstehenden Ladenlokalen

Es scheint bei der Verwaltung angekommen zu sein, dass einer Umnutzung von Ladenlokalen zu Wohnzwecken nach Möglichkeit keine Steine in den Weg gelegt werden.
Allerdings hat FDP-Fraktion auch bereits vor 2 Jahren initiiert, dass in Zusammenarbeit mit den Hauseigentümern geprüft wird, ob leerstehende Ladenlokale für kleingliedrige Kindertagesbetreuung durch Tagesmütter oder kleingliedrige Kindertagesbetreuung im Auftrag von Elterninitiativen zur Verfügung gestellt werden können. Eine Bezuschussung für evtl. notwendige Umbaumaßnahmen sollte in diesem Zusammenhang ebenfalls geprüft werden.
Derartige Betreuungsmodelle existieren bereits in größeren Städten und machen eine Stadt bunter und lebendiger. Dadurch könnten sicherlich vermehrt Kinderbetreuungsplätze bereitgestellt werden für potentielle Tagesmütter, die eben nicht in den eigenen vier Wänden genügend Platz dazu haben.

Wir modifizieren heute unseren Antrag, diese Angelegenheit nicht nur unter dem ISEK-Projekt zu betrachten, sondern gleichrangig wie auch ursprünglich gedacht unter den sozialpolitischen Komponenten der Kinderbetreuung.
Die Verwaltung sollte dazu mit den zuständigen Akteuren zusammenarbeiten und die aktuellen Förderprogramme zur Erhaltung einer lebendigen Innenstadt auf Fördermöglichkeiten abklopfen bzw. anregen, derartige Maßnahmen als Fördermöglichkeit aufzunehmen.

3. Tourismus

Der Bereich Tourismus ist für Euskirchen durchaus ausbaufähig. Im entspr. Haushaltsabschnitt überwiegen die Personalkosten, obwohl die ein oder andere Sachausgabe-Position anderweitig im Haushalt zu finden ist: Weihnachtsmarkt, Klosterlichter, Max-Buddels-Funlauf wären hier zu nennen.

Das bereits seit 15 Jahren verfolgte Vorhaben, in Euskirchen einen Wohnmobilstellplatz zu etablieren, ist leider immer noch nicht von Erfolg gekrönt. Wir hoffen allerdings, nun möglichst kurzfristig mit dem Vorhaben auf die Zielgerade einbiegen zu können. Zweifellos zieht die „Badewelt“ zahlreiche auswärtige Besucher an. Daher bietet es sich an, auch die Reisemobillisten nicht nur für einen Besuch in der Badewelt zu begeistern, sondern sie auch noch in die Kreisstadt mit ihren vielfältigen Angeboten zu locken. Auch die Fahrradwege entlang der Erft und das Museumsangebot durch Stadtmuseum und Rheinisches Industriemuseum können sich sehen lassen. Deshalb macht es durchaus Sinn, durch städtisches Engagement einen Reisemobilhafen mit Aufenthaltsqualität auf einem Gelände zwischen Badewelt und Innenstadt herzurichten.
Die FDP-Fraktion geht davon aus, dass in den Erftauen eine zeitnahe Verwirklichung eines Reisemobilhafens mit überschaubaren Kosten möglich ist. Dieser Platz wird sich erfolgreich etablieren können und somit nicht unerheblich dazu beitragen, den Bekanntheitsgrad von Euskirchen im positiven Sinn zu erhöhen.

4. Zusätzliche Waldflächen, Grünvernetzung zw. Stadtwald und Mitbachaue

Wir haben erfreut z.K. genommen, dass unsere langjährige Anregung aufgenommen worden ist und Waldflächen in Euskirchen erweitert werden. Für dieses Jahr ist vorgesehen, ca. in Größe eines Fußballfeldes am Billiger Wald nahe der Siedlung Euskirchener Heide Neuwald anzupflanzen. Ein Schritt in die richtige Richtung, dem Klimawandel entgegen zu treten.

Ebenso würden wir es sehr begrüßen, wenn endlich eine Grünverbindung, eine Biotopvernetzung zw. Stadtwald und Dölkenbroich – quasi ein durchgängiger Grüngürtel – umgesetzt werden könnte und eine Wegeverbindung von dort bis zum Schillerpark als attraktive Naherholungsfläche vervollständigt werden könnte.

Auch die Schaffung einer „Naturarena“, wie sie seitens der Verwaltung genannt wird, begrüßen wir. Hier haben wir angesichts der ins Auge gefassten potentiellen Nutzer-Zielgruppe allerdings einen anderen Standortortvorschlag. Aber dazu später zu unserem Antrag mehr.

In diesem Zusammenhang fällt unsere Betrachtung auch auf den beliebten Stadtwald. Allerdings wird in den letzten Jahren vermehrt beklagt, dass er in einen „lieblosen“ Zustand verfallen ist. Die Instandhaltung ist – unabhängig von allgemein festzustellenden Beeinträchtigungen wie Windbruch, Trockenheit und Borkenkäferbefall – zu kurz gekommen. Auch was dort forstwirtschaftlich abgeht, führt bei Betrachtern zu Kopfschütteln und Unverständnis. Z.T. entsteht dort ein Knüppelwald, d.h. dünne Baumstämme wachsen gleich mehrfach aus einem Stock / einer Wurzel. So wächst mangels zeitgerechter Ausdünnung kein vernünftiger Baumbestand heran. Auch der Fitnessparcour, der Schillerstein sowie der Teich könnten einen besseren Pflegezustand vertragen.

5. Charleviller Platz, Einpendler-Parken

Bereits seit längerer Zeit hat die FDP auf das Problem der Einpendler mit dem Pkw und deren Parkmöglichkeiten hingewiesen. Wir sind froh, dass die Problematik mittlerweile zumindest als Thema in das Mobilitätskonzept aufgenommen worden ist. Damit ist das Problem aber nicht gelöst, wie zahlreiche Anwohnerbeschwerden deutlich machen. In diesem Zusammenhang begrüßen wir es, dass der Charleviller Platz nun endlich wieder im vollumfänglichen Ausmaß entsprechend seiner Zweckbestimmung und Widmung genutzt werden kann und vorher eine nachhaltige Instandsetzung erfolgt.

6. Grds. Anmerkung

Abschließend noch einige grundsätzliche Bemerkungen:
Die FDP tritt primär für Freiheit, Selbstbestimmung und Hilfe zur Selbsthilfe ein.

Dagegen setzen einige politische Parteien gerne einen politischen Instrumentenkasten ein, der stark auf Verbote, Reglementierungen und den erziehenden Staat setzt. Der ständige Versuch zum Umerziehen, die Versuche zur Bevormundung, der Regulierungswahn geht uns auf den Senkel, zumal diese Maßnahmen im Rahmen der Gegenfinanzierung ohne Steuererhöhungen schwer zu bewältigen sind. Mehr Selbstverantwortung müsste auf die Agenda stehen, anstatt sich weiter in der deutschen Vollkaskomentalität zurückzulehnen. Erarbeiten vor Verteilen sollte die Devise sein und nicht umgekehrt.

7. Schlussbemerkungen

Die FDP begrüßt, dass die Steuer-Hebesätze stabil bleiben. Das sollten sie auch bleiben bzw. es sollte eher in Zukunft die Möglichkeit einer Absenkung ausgelotet werden.

Ansonsten möchten wir es mit einem unbekannt gebliebener Autor halten, der folgende Lebensweisheit festgehalten hat:

„Wer zu spät an die Kosten denkt, ruiniert sein Unternehmen.
Wer immer zu früh an die Kosten denkt, tötet die Kreativität.“

Wir sollten hier unsere Aufgabe so verstehen, dass wird kreativ und zielorientiert die uns obliegenden Aufgabenfelder zum Wohl der Euskirchener Bevölkerung bestellen.

Zu guter Letzt möchte ich seitens der FDP-Fraktion allen aus Verwaltung und Politik danken, die konstruktiv am Haushalt mitgewirkt haben. Ein besonderer Dankesgruß gebührt natürlich dem Stadtkämmerer.